Eulenpapagei - Kakapu Neuseeland
Auf dem Gipfel von Hautur waren immer drei Lek.
Eulenpapagei
Der Überlebenskünstler
VON JÖRG SCHINDLER
Kakapo (Bild: wikipedia/cc)
Das Sexleben des gemeinen Kakapo-Männchens kann man nicht anders als unbefriedigend nennen. Einmal im Jahr erklimmt der Vogel, der nicht fliegen kann, auf stämmigen Beinen eine Anhöhe, buddelt dort ein kleines Loch, lässt sich hineinplumpsen und beginnt zu balzen. Sechs, sieben Stunden pro Nacht, drei bis vier Monate lang. Ein enorm langes Vorspiel für ein erschütternd kurzes Nümmerchen.
Dabei ist nicht einmal gesagt, ob es überhaupt dazu kommt. Der Balzlaut des Kakapos nämlich ähnelt - wie der naturliebende Kultautor Douglas Adams einst treffend beschrieb - den ersten Takten des Pink-Floyd-Albums "Dark Side Of The Moon". Es ist im Grunde ein nicht enden wollendes Basswummern. Es ist ein Geräusch, das Kakapo-Weibchen nicht sonderlich mögen, was aber egal ist - den Verursacher könnten sie, selbst wenn sie wollten, ohnehin kaum finden: Bassklänge zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass ihre Quelle nicht zu orten ist.
Nun soll es gleichwohl vorkommen, dass ein Weibchen gelegentlich über einen schüchtern vor sich hin wummernden Kakapo stolpert. Dieser hüpft dann sogleich aus seinem Loch und beginnt mit einem anrührenden Tanz, welcher der Angebeten gefällt - oder auch nicht. Dann war's das womöglich wieder für ein paar Wochen. Wenn aber das Liebesspiel gelingt, schlüpfen doch bestimmt kurz darauf einige klitzekleine Kakapoküken, oder? Ja - aber nur, wenn der Rimu-Baum in diesem Jahr ausreichend viele Früchte trägt. Von dem ernährt sich der Eulenpapagei fast ausschließlich. Folge: Ohne Rimu-Früchte muss die Familienplanung leider noch einmal verschoben werden.
Der Kakapo galt übrigens bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als ausgestorben. Man könnte geneigt sein zu sagen: selbst schuld.
Interessanterweise aber lebte der Kakapo viele tausend Jahre lang ganz gut mit seiner etwas merkwürdig herausgemendelten Libido. Das waren Zeiten, in denen Neuseeland im Wesentlichen ein großes Stück Wald war, wo Vögel nichts zu befürchten hatten. Weswegen auch der Kiwi und der Weka und der Kakapo irgendwann das sinnlose Herumfliegen aufgaben, mit einer etwas umständlichen Paarung die Art erhielten und sich ansonsten schlendernd die Flora ihrer Heimat einverleibten. Der Kakapo brachte es so binnen weniger Erdzeitalter zum schwersten Papageien der Welt.
Bestand 1988 auf 40 Tiere geschätzt
Dann kam der Mensch und mit ihm all die hungrigen Frettchen, Katzen, Hunde und Ratten, für die der pummelige Gesell mit seinem unüberriechbaren Moschusduft ein gefundenes Fressen war. Und noch eh der arglose Papagei sich versah oder sich auch nur an den Gedanken gewöhnt hatte, dass es so etwas wie natürliche Feinde gibt, war er auch schon fast ausgestorben. Als Douglas Adams dem raren Vogel 1988 nachspürte, für die Recherche seines Buchs "Die Letzten ihrer Art", schätzte man den Bestand auf 40 Tiere, Tendenz fallend.
Alles in allem ist das eine etwas traurige Geschichte, die wir an dieser Stelle auch nicht erzählen würden - gäbe es nicht allen Grund anzunehmen, dass sie sich im Frühjahr 2009 zu einem glücklichen Ende fügt. Vor kurzem nämlich sind im äußersten Süden Neuseelands 33 Kakapoküken geschlüpft. Sie tragen so lustige Namen wie "Weheruatanga-o-te-po" (Mitternacht) oder "Toitoiiti" (Winzling) und wogen bei ihrer Geburt weniger als 20 Gramm. Und doch sind diese Leichtgewichte am Ende der Welt nichts weniger als eine Sensation: Zum ersten Mal seit Menschengedenken gibt es nun wieder mehr als 100 Kakapos auf dem Planeten - genau 125 Tiere.
Damit endet fürs Erste ein Kampf, den Neuseelands Behörden bereits vor 120 Jahren ausriefen. Damals hatten der Mensch und andere Raubtiere den Einzelgänger mit den moosgrünen Federn und dem blass-blauen Schnabel fast komplett ausgerottet. Besonders viel Aufwand hatte man dafür nicht treiben müssen: Um an Kakapos zu kommen, notierte 1899 der Pionier Charlie Douglas, müsse man nur bei Nacht einen Tutu-Busch schütteln, "dann fallen sie runter wie Äpfel". Jahrzehntelang mühten sich Tierfreunde, eine der ältesten Vogelarten der Welt zu erhalten. Mit mäßigem Erfolg. Erst als auf zwei von Raubtieren befreiten Inseln, Whenua Hou und Anchor Island, das aufwändige "Kakapo Recovery Programme" umgesetzt wurde, begann der zaghafte Höhenflug des Flugunfähigen.
Sollten tatsächlich alle jetzt geschlüpften Küken durchkommen, wäre der Konservator Don Merton seinem Traum nahe, den Kakapo dereinst wieder auf den Hauptinseln Neuseelands anzusiedeln. "Sie werden noch lange unsere Hilfe brauchen", sagt Merton, "aber sie sind auf dem richtigen Weg."
Wer weiß, vielleicht begegnen Neuseeland-Touristen irgendwann wieder fluffige Zweibeiner, die mit freundlichem Eulengesicht angewatschelt kommen, weil sie eben gute Kerle sind und noch immer nicht wissen, was "Feind" bedeutet oder "Flucht" oder "Kampf". Man könnte viel vom Kakapo lernen. Vom Sexleben vielleicht mal abgesehen.
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