Saturday, October 29, 2011

Grand Magazine - Erfindung des Shoppings


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*Marguerite Boucicaut 1816 (department store)# wohltäterin ARTE

ARTE "wuensche werden wahr"

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Samstag 29. Oktober 2011 um 20.15 Uhr - Eine Dokumentation von Sally Aitken & Christine Le Goff

Die moderne Konsumgesellschaft nimmt im 19. Jahrhundert mit einem Pariser Kaufhaus Gestalt an. Aristide Boucicaut (1810-1877) gilt als Erfinder des Warenhauses. Das Geschäft "Bon Marché", 1838 eröffnet und 1848 von Boucicaut übernommen und in großem Rahmen ausgebaut, wird schon bald in Großbritannien von Harry Selfridge und Richard Sears nachgeahmt. Im ausklingenden 19. Jahrhundert führen diese findigen Geschäftsleute mehrere revolutionäre Neuerungen ein: Schnellkredit, Warenumtausch beziehungsweise Warenrückgabe mit Gelderstattung, Schaufenster, Werbemaßnahmen und die elegante Frauentoilette in Standardgröße. Gelüste werden offen ausgelebt und der Kaufrausch zur treibenden Kraft des Kapitalismus.

1852 übernahm Aristide Boucicaut in Paris das Kaufhaus Au Bon Marché und machte es zum ersten Großwarenhaus der Geschichte. Magisch von dem neuen Paradies angezogen, verließen die Frauen die häusliche Sphäre und entdeckten begierig diesen außergewöhnlichen Ort des Überflusses und der Schönheit. Emile Zola widmete dem sensationellen neuen Kaufhaus seinen Roman Das Paradies der Damen (1883). Boucicaut wurde mit seiner Erfindung zum Begründer des modernen Einzelhandels und der Konsumgesellschaft. Gleichzeitig trug er – ungewollt - zum langen und schmerzhaften Prozess der weiblichen Emanzipation bei. Seine revolutionäre Ideen fanden schnell Nachahmer: In Frankreich wurde ein weiteres Großkaufhaus eröffnet, das Printemps, es folgten die Galeries Lafayettes und La Samaritaine.

ARTE F / © Sindbad Bonfanti

Interviews mit Historikern und Psychologen sowie selten gezeigtes Archivmaterial und hervorragende Reenactments geben Aufschluss über Boucicaults Persönlichkeit und Werk. Wie die Damenwelt auf all die neuen Versuchungen reagierte, wird am Beispiel vier sehr unterschiedlicher Frauen veranschaulicht.

Madame Riencourt

Sie ist die perfekte Hausfrau und sucht genau aus, was sie kauft. Stets ist sie auf der Suche nach „Schnäppchen".

 

Madame Dornant

Sie ist ein „Shopping-addict", kann der Kauflust nicht widerstehen und verschuldet sich tief.

 

Madame de Vaubois

Obwohl sie der Großbourgeoisie angehört, ist sie der Kleptomanie verfallen.

 

Mademoiselle Martin

Sie ist aus der Provinz nach Paris gekommen, um Arbeit zu suchen, wird als Verkäuferin eingestellt und hofft, dass sich ihre Träume von einem besseren Leben endlich erfüllen.


Eine Revolution

Wie gelang es dem visionären Verkäufer Boucicault vor bald 160 Jahren, unsere Welt und insbesondere die der Frauen unwiederbringlich zu verändern? Er erfand einen neuen Typus: die Kundin. Dieses scheinbar von den häuslichen und ehelichen Zwängen befreite Wesen ließ sich zu einem Vergnügen verleiten, das nie endende Wünsche zu erzeugen vermochte. Allerdings gab es auch Kollateralschäden: So brach die Kleptomanie aus, eine Art „Frauenkrankheit"; und die Damen der Bourgeoisie verkauften ihren Körper, um die Schulden zu begleichen, in die sie sich gestürzt hatten. Auch wurde die Vielfalt der weiblichen Rundungen und Figuren auf standardisierte Konfektionsgrößen reduziert; und die Frauen verwandelten sich in bereitwillige Opfer der in jeder Saison wechselnden Mode.

„Von der Strömung erfasst, konnten die Damen nicht mehr zurück. Gleich den Flüssen, die die schweifenden Gewässer eines Tales an sich ziehen, schien die Flut der Kundinnen, die sich in die Vorhalle ergoss, die Straßenpassanten aufzuschlucken, die Bevölkerung von allen Ecken und Enden von Paris einzusaugen. Sie kamen nur sehr langsam weiter, eingezwängt, dass sie kaum noch Atem holen konnten, aufrecht gehalten von Schultern und Bäuchen, deren weiche Wärme sie spürten; und ihr befriedigtes Verlangen freute sich dieser bedrängenden Nähe, die ihre Neugier noch stärker anstachelte."

ZOLA, EMILE: Das Paradies der Damen. Übersetzt von Hilde Westphal, Nachwort von Gertrud Lehnert. Berlin 2002, S. 311


Die Erfindung des Shoppings


Aristide Boucicaut erfand die Strategien, die Frauen zum Konsum verleiten sollen. Er führte Festpreise ein und ließ die Waren auslegen, damit sie berührt werden konnten.

Zum ersten Mal wurden den Kundinnen kleine Geschenke gemacht; eine Verkäuferin folgte ihnen mit einem Stuhl, eine andere trug ihre Pakete. Erstmals konnte die Kundschaft auch kostenlos an Buffets ihren Durst stillen und sogar auf die Toilette gehen – ein unerhörter Luxus für die damalige Zeit! Und für die bekanntermaßen einkaufsscheuen Männer hatte Boucicaut sogar Lesesalons eingerichtet, in denen sie es sich bequem machen konnten, bis ihre Frauen zurückkehrten.

Weiterhin erdachte Boucicaut die Möglichkeit von Rückgabe oder Umtausch gekaufter Ware, den Schlussverkauf, den Versand von Katalogen, aus denen sich der Versandhandel und die Lieferung frei Haus entwickelten. So konnten auch die Damen der Provinzbourgeoisie die neueste Pariser Mode entdecken und kaufen. Im Zuge der neuen Kaufhauskultur bildete sich im 19. Jahrhundert der Typ der „Pariserin" als Symbol für Verführung, Eleganz und Schönheit heraus. Durch den Katalogverkauf im Versandhandel wurde die „Pariserin" in die ganze Welt exportiert. 1900 krönte sogar eine riesige Statue mit ihrer Nachbildung das Eingangsportal der Weltausstellung. Ein Mythos war geboren.

 

Die Verkäuferin


Das Kaufhaus Au Bon Marché befreite nicht nur die bürgerliche Frau, sondern bot auch Frauen aus einfachem Milieu die Möglichkeit, einen Männerberuf zu ergreifen: Neben dem Verkäufer gab es jetzt die Verkäuferin. So machten Tausende junge Frauen, häufig aus der Provinz, Karriere im Warenhaus und gründeten danach ihr eigenes Geschäft. Das neu gewonnene Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit wollten sie nicht mehr missen.

 

Soziale Veränderungen


Die Arbeitsbedingungen in den Kaufhäusern waren schwierig, die Kundinnen anspruchsvoll bis unerträglich, der Arbeitstag war lang, die Anstellung unsicher. Doch Aristide Boucicaut und seine Frau Marguerite beschritten auch auf sozialem Gebiet Neuland. Sie waren die ersten, die eine Rente und eine Vorsorgekasse, den arbeitsfreien Sonntag und kostenlose medizinische Betreuung für ihre 1788 Angestellten einführten. Später kamen Kinderkrippen, Altersheime sowie Bildungs- und Sportangebote hinzu. Dadurch wurde das Warenhaus zu einer sozialen Institution, die alle Gebiete der Gesellschaft beeinflusste. Auf diese Erfahrungen stützte sich auch die neue Idee des Sozialismus, die inmitten eines auf dem Konsumgedanken fußenden Reiches entstand.

 

1852 Eröffnung des Kaufhauses Au Bon Marché in Paris

1874 Eröffnung des Printemps in Paris

1894 Eröffnung der Galeries Lafayette in Paris

1896 Eröffnung von Macy's in New York

1900 Eröffnung von La Samaritaine in Paris

1909 Eröffnung von Selfridges in London



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Technischer Stab


Geschichtsdoku von Christine Le Goff und Sally Aitken
Nach einer Originalidee von Sylvia Sagona
Kamera: Mathieu Czernichow
Szenenbildnerin: Anne Seibel
Kostümbildnerin: Claire Gérard-Hirne
Filmkomponist: Caitlen Yeo
Archivberaterin Bon Marché: Monica Burckhardt
Mit
Aristide Boucicaut Grégoire Bonnet
Mme Dornant Sarah Stern
Mme Riencourt Charline Paul
Mme de Vaubois Sandra Valentin
Mlle Martin Lucile Krier
Maillard Niels Dubosc
Boileau Horacio Levin
Eiffel Michel Bizot
Marguerite Boucicaut Nathalie Ropert-Dondiers


Wünsche werden wahr - Die Entstehung des Kaufhauses
Dokumentation, Frankreich 2011, ARTE F, Synchronfassung, Stereo, Erstausstrahlung
Regie: Sally Aitken, Christine Le Goff

seen Samstag 29. Oktober 2011 um 20.15 Uhr
Wiederholung am Sonntag 30. Oktober um 14.40 Uhr, Dienstag 22. November um 02.50 Uhr und Mittwoch 23. November um 14.45 Uhr
(Frankreich, 2011, 86mn) ARTE F

Das Kaufhaus und die Umgestaltung von Paris

Die Geschichte der Großkaufhäuser spielt sich auf den prachtvollen Boulevards ab, die Baron Haussmann unter dem Zweiten Kaiserreich schuf.


Lieferung - ARTE F / © Le Bon Marché


Während sich die aus der industriellen Revolution hervorgegangene neue bürgerliche Klasse im 19. Jahrhundert bereicherte, musste sich die große Mehrheit der Bevölkerung mit Hungerlöhnen durchschlagen. Der Abstand zwischen Arm und Reich wurde immer größer, und die Unzufriedenheit wuchs bis zur Erhebung des Volkes von Paris in der Revolution von 1848. Nachdem Napoleon III. an die Macht gekommen war, wollte er die Lebensbedingungen der Pariser verbessern und ernannte 1853 Baron Haussmann zum Präfekten des Departements Seine. Er beauftragte ihn, „die Stadt zu durchlüften, zu vereinheitlichen und zu verschönern". Paris sollte zur glänzendsten und angesehensten Hauptstadt Europas werden. Haussmann ließ über 120 000 unhygienische Wohnungen abreißen. Ganze Stadtviertel mussten Parks und Grünanlagen weichen. Es entstanden 300 Kilometer geradlinige Boulevards und Avenuen, die ein der Hauptstadt würdiges Verkehrsnetz bildeten. Nie zuvor hatte Paris eine so schnelle und radikale Veränderung erlebt. Mit dem Bau der großen Bahnhöfe, die untereinander durch ein neues öffentliches Verkehrssystem (Pferde- bzw. Dampfomnibusse und vor allem die Metro) verbunden waren, entdeckten die Pariser auch das Reisen mit der Eisenbahn. Im Jahrhundert der Schnelligkeit kamen immer mehr Menschen aus der Provinz in die Hauptstadt, um Arbeit zu finden. Pariser und Pariserinnen unterschiedlicher Herkunft konnten jetzt ausgehen, sich amüsieren und ungezügelt konsumieren. Paris wurde die Bühne, auf der man sich zeigen musste.

Aristide Boucicaut, der Erfinder des modernen Handels

Erst mit 42 Jahren, arbeitslos und beinahe mittellos, ersann Aristide Boucicaut die Konzepte, die die Geschichte des modernen Handels tiefgreifend verändern sollten.


Aristide Boucicaut - ARTE F / © D.R.

Sein außergewöhnlicher Lebensweg war Aristide Boucicaut keineswegs in die Wiege gelegt. Er wurde 1810 in der Normandie als Sohn eines Hutmachers geboren, der ein Geschäft auf der Hauptstraße führte. Mit 18 Jahren verließ der junge Boucicaut das heimatliche Bellême, um auf den Märkten Trikotagen zu verkaufen. Dabei lernte er das ABC seines Berufes. Nach siebenjähriger Lehrzeit ging er 1835 nach Paris, um dort sein Glück zu versuchen. Die Hauptstadt war damals düster, schmutzig, verfallen und überbevölkert. Die Läden waren klein und schlecht sortiert. Aber die im Zuge der industriellen Revolution entstehende Bourgeoisie brannte darauf, ihr Geld auszugeben. Und der Einzelhandel veränderte sich. Mit dem Bau der Passagen wurden zum ersten Mal mehrere Läden unter einem Dach vereint. Die Entstehung der Modegeschäfte (magazins de nouveautés) leitete eine neue Etappe ein. Diese Geschäfte mit zahlreichen Ladentischen boten als erste eine Vielfalt von Waren an. In einem davon, dem Petit Saint Thomas in der Rue du Bac, fand Boucicaut eine Anstellung, und in derselben Straße begegnet er auch seiner zukünftigen Frau Marguerite.

Er blieb 13 Jahre im Petit Saint Thomas. In dieser Zeit beschleunigten sich durch die Mechanisierung der Textilindustrie die Produktionsrhythmen, so dass Stoffe und Gewebe schnell und in großer Menge hergestellt werden konnten. Als Le Petit Saint Thomas im Zuge der revolutionären Ereignisse von 1848 schließen musste, wurde Boucicaut entlassen. Nach der Stadterneuerung durch Baron Haussmanns wurden die großen Boulevards und ihre Theater zu den Zentren des Pariser Lebens. Mit Wagemut und einem angeborenen Geschäftssinn spürte Boucicaut, dass er Kapital aus diesen Veränderungen schlagen könnte. 1852 machte er sich selbstständig und wurde Sozius von Paul Videau, dem Inhaber des Modegeschäftes Au Bon Marché in der Rue du Bac. Nun begann er, seine neuartigen Ideen umzusetzen. Bis dahin war es oberstes Ziel der kleinen Ladeninhaber, ihre Ware so teuer wie möglich zu verkaufen. Boucicaut dagegen brach mit dieser kundenfeindlichen Strategie. Er verstand als erster, dass man sehr große Mengen verkaufen und einen höheren Profit erzielen kann, wenn man die Gewinnspanne verringert. So wurde Boucicaut zusammen mit seiner Frau Marguerite zum Erfinder des ersten Großkaufhauses – zum Mann, um den die Amerikaner die Franzosen beneideten.

Das Paradies der Damen - Zeitzeuge Emile Zola

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Emile Zola gemalt von Édouard Manet - ARTE F

Au Bon Marché war ein Glaspalast (Entwurf: Louis Boileau) mit einem von dem Ingenieur Gustave Eiffel entworfenen Metallgerüst. Hier wurde die neue Bautechnik, die 1889 im Eiffelturm gipfelte, zum ersten mal ausprobiert: Riesige Treppen führten majestätisch von einem Stockwerk zum anderen, elektrische Kronleuchter, Glaskuppeln und zahllose Spiegel spendeten Licht; und durch die großen Glasfenster konnte man Ware und Kundinnen von außen sehen. Das Ergebnis war so beeindruckend, dass es Künstler und Schriftsteller inspirierte, zum Beispiel Emile Zola zu seinem Roman Das Paradies der Damen, einem Bestseller des 19. Jahrhunderts. Zola befragte tagelang ehemalige Verkäuferinnen, Kunden und Kundinnen, Ingenieure und die Inhaber selbst, bevor er das Kaufhaus zur Grundlage seiner Allegorie auf den Fortschritt machte.

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