Monday, September 15, 2008

Jürgen Todenhöfer - sollte Bush und Blair verklagen

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Verkohlte Leichen irakischer Soldaten, Golfkrieg 1991


Herr Todenhoefer sagt die USA hat eine million Unschuldige im Irak ermordet und hat die Welt belogen und will das Öl des Iraq stehlen!!! Er war im Iraq und hat INFO aus erster Hand. Er weiss wovon er spricht. Er ist Christ, und ist wunderbar moralisch. Er sollte Bundeskanzler werden.

Jürgen Todenhöfer; Rechte: dpa

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Kirsten Pape im Gespräch mit Jürgen Todenhöfer

Er hat schon immer unbequeme Wahrheiten ausgesprochen. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York mischt er sich wieder lautstark ein in die Weltpolitik: Jürgen Todenhöfer, bis 1990 CDU-Politiker und Rechtsaußen im deutschen Bundestag, heute Medienmanager im Burdakonzern. Auf eigene Gefahr reiste Todenhöfer mehrmals in den Irak und nach Afghanistan, um sich ein unzensiertes Bild machen zu können vom Leben der Zivilbevölkerung unter Besatzung und „Antiterrorkrieg“. Sein Fazit : „Islamisch getarnte Terroristen sind Mörder. Für christlich getarnte Anführer völkerrechtswidriger Kriege kann nichts anderes gelten.“

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Demonstration mit toten irakischen Kindern in Bagdad während der UN-Sanktionen, Februar 1998.


In seinem jüngsten Buch lässt er irakische Widerstandskämpfer zu Wort kommen: Menschen, die sich vom Al Qaida Terrorismus mit seinen Selbstmordattentaten distanzieren und dennoch keine andere Wahl sehen, als sich gewaltsam gegen das zu wehren, was sie den „Terrorismus der Besatzer gegen Zivilisten“ nennen.



Das Autorenhonorar seiner Bücher spendet Jürgen Todenhöfer für Flüchtlingskinder aus Irak und Afghanistan und für ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt. Im Tischgespräch mit Kirsten Pape erzählt der 67jährige von seinem Leben als Einzelkämpfer und seinem leidenschaftlichen Engagement für eine Aussöhnung der westlichen mit der muslimischen Welt.

Bücher von Jürgen Todenhöfer:

"Warum tötest du Zaid?" (C. Bertelsmann, 2008)

"Andy und Marwa - Zwei Kinder und der Krieg" (C. Bertelsmann, 2005)

"Wer weint schon um Abdul und Tanaya?" (Herder-Verlag)

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Die zehn Thesen als Film

Auch in Amerika haben die zehn Thesen von Jürgen Todenhöfer für Aufmerksamkeit gesorgt. Ein amerikanischer Produzent ist durch die Anzeige in der New York Times auf die zehn Thesen von Jürgen Todenhöfer aufmerksam geworden und möchte diese nun verfilmen. Geplant ist ein 90-120 minütiger Dokumentarfilm, der bereits im nächsten Jahr weltweit in die Kinos kommen soll.

Bilder des Krieges

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1. Der Westen ist viel gewalttätiger als die muslimische Welt. Millionen arabische Zivilisten wurden seit Beginn der Kolonialisierung getötet.

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2. Angesichts der Kriegspolitik des Westens ist es nicht wirklich erstaunlich, dass muslimische Extremisten immer mehr Zulauf bekommen.

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3. Islamisch getarnte Terroristen sind Mörder. Für christlich getarnte Anführer völkerrechtswidriger Angriffskriege kann nichts anderes gelten.

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4. Muslime waren und sind mindestens so tolerant wie Juden und Christen. Sie haben die westliche Kultur entscheidend mitgeprägt.

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5. Nicht nur in der Bibel, auch im Koran sind die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten die zentralen Gebote.

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6. Die westliche Politik gegenüber der muslimischen Welt leidet unter einer erschreckenden Ignoranz einfachster Fakten.

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7. Der Westen muss die islamische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie er Israel behandelt. Muslime sind so viel wert wie Juden und Christen.

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8. Die Muslime müssen sich wie ihr Prophet Mohammed für einen Islam des Fortschritts und der Toleranz einsetzen. Sie müssen dem Terrorismus die religiöse Maske vom Gesicht reißen.

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9. Nichts fördert den Terrorismus mehr als die „Antiterrorkriege“ des Westens. Die muslimischen Länder müssen ihre Probleme mit dem radikalen Islamismus selber ausfechten.

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10. Das Gebot der Stunde heißt Staatskunst, nicht Kriegskunst – im Irankonflikt, im Irakkonflikt und im Palästinakonflikt.

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Tote Algerier im französischen Folterzentrum `Villa Sésini´, Algier, 1961.


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Algerischer Bauer, verletzt durch französische Napalmbomben, 1954 - 1962



Die Geschichte von Zaid

Jürgen Todenhöfer, der bereits mehrmals im Irak unterwegs war, ist auf eigene Faust dorthin zurückgekehrt. Diesmal traf er in Ramadi diejenigen, über die wir kaum etwas wissen: die irakischen Widerstandskämpfer aus baathistischen, nationalistischen und gemäßigt islamischen Gruppen. Er erfuhr erschütternde Einzelschicksale. So begegnen wir etwa Yussuf, einem Christen, der Seite an Seite mit Muslimen kämpft, Aisha, die für die Mütter der Widerstandskämpfer spricht, und dem zweiundzwanzigjährigen Zaid.

Der wahre Krieg - zum Reinhören (von Jürgen Todenhöfer)

Auf der "Todesstraße" zwischen Al-Tanf und Ramadi

Zaid hat sein ganzes Leben nur Krieg und Not kennen gelernt. Seine beiden Brüder wurden von amerikanischen GI’s erschossen. Er hat sich daraufhin einer Widerstandsgruppe angeschlossen und US-Soldaten getötet. In bewegenden Worten erzählen Zaid und seine Mitstreiter ihre Geschichte, sprechen über ihre Motive und politischen Ziele. Dabei wird deutlich, dass der irakische Widerstand auch gegen die – überwiegend ausländischen – Terroristen von Al-Qaida kämpft und eine scharfe Trennlinie zieht zwischen legitimem Widerstandskampf und verabscheuungswürdigem Terrorismus à la Al-Qaida, der den Tod unschuldiger Zivilisten in Kauf nimmt.

Aus dem Kapitel: Zaid und der „doppelte Übersteiger“

Zaid sitzt mir schweigend gegenüber. Er ist ein gut aussehender Junge. Wahrscheinlich weiß er das, denn wenn er mit seinen Cousinen spricht, setzt er seinen Charme gezielt ein. Aber ich spüre, dass er damit etwas überspielen will. Denn immer wenn er sich unbeobachtet glaubt, sind seine Augen traurig und nachdenklich. Sein Sunnyboy-Lachen ist das Lachen eines jungen Mannes, der verzweifelt versucht, in diesem irrsinnigen Krieg nicht den Verstand zu verlieren.

Ich muss unbedingt seine Geschichte erfahren. Aber Zaid möchte nichts erzählen. Er will seine Familie nicht gefährden, er will nicht nach Guantánamo auf Kuba und auch nicht in die Guantánamos des Irak. Auch von dem, was er und seine Familie erlitten haben, mag er nichts preisgeben. Ich rede eine halbe Stunde auf ihn ein, aber ich merke, dass er nicht kann und nicht will.

Abu Saeed, der unsere Diskussion schweigend verfolgt hat, legt den Arm um seine Schulter und sagt: „Lassen Sie ihm etwas Zeit. Er muss darüber schlafen. Vielleicht wird er Ihnen morgen seine Geschichte erzählen. Er muss mit seinem Vater sprechen. Es geht ja nicht nur um ihn. Außerdem werden Sie – wie gewünscht – noch viele andere Widerstandskämpfer kennen lernen.“

„Ich weiß“, nicke ich, „aber ich will keine Geschichte, die man für mich ausgesucht hat. Ich will die Geschichte von Zaid.“ Abu Saeed schaut mich lächelnd an. „Haben Sie etwas Geduld. Sie werden seine Geschichte bekommen – Inshallah.“

Dann begleiten wir Zaid, der nach Hause möchte, zum Hoftor, und Abu Saeed wendet sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Telefonieren, zu. Er führt auf seinem großen alten Handy mehrere Gespräche. Offenbar auch mit dem Vater von Zaid, denn mehrfach fällt dessen Name.



Aus dem Kapitel: Zaids Träume

Danach setze ich mich in eine schattige Ecke des Gartens und mache mir Notizen. Plötzlich klopft mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um und sehe in das Gesicht von Zaid. „Sie wollten mich sprechen“, sagt er leise und etwas verlegen.

Zaid trägt blaue Jeans, ein verwaschenes rotes T-Shirt und imitierte Adidas-Turnschuhe. In der linken Hand hält er verdeckt, fast wie ein Schuljunge, eine Packung Gauloises syrischer Produktion. Als Al-Qaida noch in Ramadi wütete, war Rauchen verpönt und gefährlich.

Zaid ist um sechs Uhr in seinem Viertel Al-Sufia aufgebrochen. Früher benötigte man von dort nach Al-Dschasira fünfzehn Minuten. Jetzt braucht man, mit all den Straßensperren und Kontrollen, zweieinhalb Stunden. Zaid hat mit seinem Vater gesprochen. Er hat ihm erlaubt, mir seine Geschichte zu erzählen. Langsam und leise beginnt Zaid seinen Bericht.

Er kam 1986 während des irakisch-iranischen Kriegs zur Welt. Sein Vater Mohammed und seine Mutter Amira besitzen in Al-Sufia ein kleines Lebensmittelgeschäft. Sie brachten die Familie einigermaßen gut durch die schweren Kriegsjahren und die Zeit der Sanktionen. Zu essen gab es immer etwas, und wenn es nur Brot war.

Nach dem Zweiten Golfkrieg, den der Irak 1991 nach seinem Angriff auf Kuwait gegen eine von den USA geführte multinationale Streitmacht verlor, wurden die Zeiten härter. Die Wirtschaftssanktionen lasteten schwer auf der Familie. Nur selten konnten seine Eltern Gemüse oder Fleisch für die siebenköpfige Familie ergattern.

Die Eltern litten nach Zaids Erinnerung viel mehr als ihre drei Söhne und zwei Töchter. Wenn sie etwas Gutes zu essen auftreiben konnten, gaben sie es ihren Kindern. Sie mussten jetzt doppelt so hart arbeiten wie früher, um die Familie über Wasser zu halten. Zaid erzählt, dass in der Nachbarschaft mehrfach Kleinkinder gestorben seien, weil aufgrund der Sanktionen des UN-Sicherheitsrats die medizinische Versorgung des Landes zusammengebrochen und auch die Ernährung miserabel war.

Als am 11. September 2001 Al-Qaida-Terroristen Passagierflugzeuge ins World Trade Center steuern, ist Zaid fünfzehn Jahre alt. Wenige Wochen danach wird im Fernsehen erstmals über eine Verbindung des Irak zu Al-Qaida spekuliert. Man diskutiert über die Möglichkeit eines amerikanischen Kriegs nicht nur gegen Afghanistan, sondern auch gegen den Irak.

Zaid hält das für blühenden Unsinn. Er kennt niemanden in seiner kleinen Welt, der überhaupt weiß, was Al-Qaida sein soll.

Dass der Irak trotz Wirtschaftssanktionen und jahrelanger UN-Inspektionen Massenvernichtungswaffen haben soll, ist für ihn absurde Propaganda der USA. Wie soll der Irak, „das am strengsten überwachte Land der Welt“ – wie Zaid den Irak des Jahres 2001 nennt –, Massenvernichtungswaffen produzieren? So etwas Dummes könne doch keiner glauben. Auch im Westen werde dem Irak das niemand ernsthaft unterstellen. So töricht und böswillig könne man nicht sein. Deshalb ein Krieg – völlig undenkbar! Irgendwann muss es ja auch für sein Land Gerechtigkeit geben.

Als der Krieg im März 2003 dennoch ausbricht, ist Zaid fest davon überzeugt, dass der Irak gewinnen werde. Er glaubt Saddam Hussein, der mehrfach gesagt hatte, die USA hätten gegen den Irak keine Chance. Er nimmt an den täglichen Bittgottesdiensten teil, in denen die Menschen von Ramadi um göttlichen Beistand flehen. Stunden sitzt er mit seinen Freunden vor dem Fernseher und verfolgt die Kriegsberichterstattung.

Als ein heftiger Sandsturm den amerikanischen Vormarsch einige Tage lang stoppt, denkt er, die Wende sei gekommen. Wenigstens Gott sei aufseiten der Iraker. Er nimmt dem Sprecher der irakischen Regierung, Mohammad Said al-Sahhaf, jedes Wort ab, wenn dieser erklärt, Bush, Blair und Rumsfeld seien „ein komisches Trio“. Gott werde sie „in der Hölle von Irakern braten lassen“.

Die Besetzung Ramadis sei in Etappen erfolgt. Erst hätten die US-Truppen die großen Verkehrskreuzungen besetzt, dann die wichtigsten Gebäude, dann seien einige Straßen gesperrt worden, und schließlich sei die Stadt in einzelne, streng voneinander getrennte Viertel aufgeteilt worden.

Die irakischen Truppen seien einfach nach Hause gegangen. Ihre Uniformen hätten sie versteckt. Alle Armeeangehörigen und Mitarbeiter des Sicherheitsapparats seien von den Amerikanern entlassen worden und von heute auf morgen arbeitslos gewesen. Viele hätten sich direkt dem Widerstand angeschlossen, mit all ihren Waffen und ihrer Erfahrung. Andere seien ins Ausland geflohen.

Das Leben der Bevölkerung von Ramadi sei von Tag zu Tag schwieriger geworden. Immer wieder hätten amerikanische Flugzeuge angebliche Widerstandsnester bombardiert und ganze Familien ausgelöscht. Auf den Gebäuden der Stadt hätten amerikanische Scharfschützen auf alles geschossen, was ihnen verdächtig vorkam. Meist hätten sie nur Unschuldige erwischt. Widerstandskämpfer wüssten in der Regel, wie sie sich verhalten müssten, um nicht ins Visier von Scharfschützen zu geraten.

Mit achtzehn Jahren, im Juni 2004, macht Zaid Abitur. Sogar recht ordentlich. Er will im Herbst an der Anbar-Universität in Ramadi wie sein Onkel Abu Saeed Geschichte studieren und dann Lehrer werden. Zaid kennt alle Lausbubentricks, weil er selbst einer war. Ihm wird keiner etwas vormachen. Er möchte junge Menschen zu tüchtigen, selbstbewussten Bürgern erziehen und ihnen zeigen, dass es sich lohnt zu leben. Er freut sich sehr auf seinen späteren Beruf.

Daher habe er sich auch nicht aktiv im Widerstand engagiert, erzählt Zaid. Er interessiere sich eigentlich nicht für militärische Dinge, sondern viel mehr für Geschichte. Außerdem habe er seine Familie nicht gefährden wollen. Seine beiden Brüder Haroun und Karim hätten sich genauso verhalten. In seiner Familie gebe es keine militärische Tradition.

Bis das Schicksal im Juni 2006 auch in seiner kleinen Familie zuschlägt. Zaid fährt sich mit der linken Hand über die Augen, um seine Gefühle zu verbergen. Mit der rechten Hand beginnt er hilflos auf den Rasen zu schlagen.


Aus dem Kapitel: Zaids Brüder

Zaid spricht heute sehr langsam, fast bedächtig. Er versucht erkennbar, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Immer wieder atmet er tief durch, macht Pausen, presst die Lippen zusammen.

Zaid ist der älteste von drei Brüdern. Haroun ist ein Jahr jünger als er, Karim zwei Jahre. Im Juli 2006 verbringt Haroun einige Nächte bei seinem Onkel im Zentrum von Ramadi. Haroun, der damals neunzehn Jahre alt ist, studiert Ingenieurwissenschaften. Er hat Semesterferien und genießt diese, so gut das in diesen Kriegszeiten eben geht.

Mit dem Widerstand hat er wie seine beiden Brüder wenig zu tun. Er hilft, wie alle Jugendlichen von Ramadi, den Widerstandskämpfern, wenn sie einen Unterschlupf suchen oder eine Information brauchen. Von sich aus aktiv wird er nicht.

Am 14. Juli 2006 macht sich Haroun früh morgens im Haus seines Onkels auf, um zu seiner Familie nach Al-Sufia zurückzukehren, bevor es zu heiß wird. Es ist kurz nach sieben Uhr, als er in die kleine Straße einbiegt, in der seine Familie wohnt. Er kickt einen kleinen alten Ball vor sich her, den er irgendwo gefunden hat.

In der rechten Hand trägt er eine weiße Buschrose, die er im Morgengrauen für seine Mutter gepflückt hat. Einem Nachbarjungen, Jarir, der ihm auf der gegenüberliegenden Straßenseite entgegenkommt, ruft er ein freundliches Salam – Friede – zu.

Genau in diesem Augenblick – Haroun hat gerade das Wort Salam ausgesprochen – peitscht ein Schuss durch die Straße. Haroun fasst sich ungläubig an den Hinterkopf, geht wie in Zeitlupe in die Knie und fällt vornüber mit dem Gesicht in den Staub.

Leblos bleibt er im Dreck der Straße liegen. In seiner rechten Hand hält er die kleine weiße Rose, die er seiner Mutter schenken wollte.

Jarir hat sich blitzschnell in den Eingang eines verfallenen Hauses gerettet. Dort bleibt er stundenlang regungslos sitzen. Er sieht, wie eine Stunde später ein städtischer Feuerwehrwagen Harouns Leiche auflädt und wegfährt. Feuerwehrautos sind die einzigen Fahrzeuge, die in der Innenstadt fahren dürfen. Selbst auf Krankenwagen wird im Stadtzentrum sofort geschossen. Feuerwehrfahrzeuge sind inzwischen alles in einem: Löschwagen, Krankenwagen, Leichenwagen.

Auch andere Bewohner der Straße haben den Schuss gehört. Aber niemand wagt sich aus dem Haus, aus Angst, selbst Opfer der amerikanischen Scharfschützen zu werden.

Erst am Nachmittag traut sich Jarir aus seinem Versteck und rennt zu Zaids Haus. Nachdem er dort, völlig außer Atem, von Harouns Tod berichtet hat, ist das Haus von Schreien der Verzweiflung, der Trauer und der Wut erfüllt. Weinend und klagend liegt sich die Familie in den Armen. Haroun soll tot sein, das kann nicht sein. Sie haben ihn doch gestern noch bei seinem Onkel getroffen.

Dann zieht die ganze Familie los, um Haroun in der Leichenhalle des Viertels ein letztes Mal zu sehen, die Beerdigung vorzubereiten und ihm ein letztes Adieu zu sagen. Aber als sie ankommen, ist Haroun längst bestattet. Ohne städtischen Strom stehen der Leichenhalle keine Kühlräume zur Verfügung. Deshalb werden die vielen Toten, die täglich angeliefert werden, so schnell wie möglich beerdigt.

Es gibt keinen Abschied. Nicht einmal an den für die Bestattung vorgesehenen Gebeten kann die Familie teilnehmen – wenn es denn überhaupt welche gegeben hat. Schluchzend gehen sie nach Hause. Zaids Eltern, seine zwei Schwestern Lamya und Maysun sowie Zaid und Karim halten sich fest umschlungen.

Zaid hat aufgehört zu erzählen. Ich spüre, dass er eine Pause braucht. Er hat seine Augen mit beiden Händen bedeckt, um seine Tränen zu verbergen. Sein ganzer Köper wird von Krämpfen geschüttelt. Ich stehe auf und lasse ihn einige Minuten allein. Als ich sehe, dass er seine Fassung wiedergefunden hat, setze ich mich wieder zu ihm. Mit müdem Gesicht fährt er fort.

Obwohl die Trauer um Haroun ihn und seinen achtzehnjährigen Bruder Karim in den kommenden Wochen unendlich bedrückt, beschließen die beiden, sich auf ihr Studium zu konzentrieren. Karim hat gerade Abitur gemacht und will Agrarwissenschaften studieren.

In diesen Wochen wachsen Zaid und Karim noch enger zusammen. Zaid nimmt ihn zum Fußball mit und sorgt dafür, dass sie möglichst immer in derselben Mannschaft spielen. Manchmal verzichtet er sogar auf seinen Lieblingssport und geht mit Karim im Euphrat schwimmen. Karim ist begeisterter Schwimmer.

Als im Herbst das Studium wieder beginnt, richtet es Zaid immer so ein, dass beide ihre Bücher und Schriften nachmittags gemeinsam durcharbeiten können. Wenn Karim mit leeren Augen in die Ferne starrt, weiß Zaid, dass er an Haroun denkt. Zaid erzählt ihm dann irgendeine lustige Geschichte.

So vergehen die Wochen und Monate. Anfang 2007 kommt es in Ramadi wieder zu schweren Kämpfen. Das Haus von Zaids Vater bleibt glücklicherweise verschont. Am Abend des 5. Januar jedoch schlägt eine von einem amerikanischen Hubschrauber abgefeuerte Rakete direkt neben dem Gebäude ein. Sie zerstört den Generator, der ihr Haus und einige Nachbargebäude mit Strom versorgt.

In Panik springt die Familie auf. Geduckt rennen alle, so schnell es geht, aus der Kampfzone zum Haus eines Onkels, der nur wenige hundert Meter entfernt in einer Querstraße wohnt. Als sie atemlos dort ankommen, fällt ihnen ein, dass sie vergessen haben, den mit Kerosin betriebenen Heizofen abzustellen. Karim beschließt, noch einmal zurückzulaufen. Er öffnet die Tür und schaut vorsichtig nach links und rechts, um zu sehen, ob die Luft rein ist. Dann läuft er los

Aus dem Kapitel: Zaids Widerstand

Ich frage ihn, was sein größter Traum sei. „Frieden“, antwortet er. Aber danach wünsche er sich eine ganz große Familie mit mindestens zwölf Kindern, „damit zu Hause richtig was los ist!“ Zwei oder drei Kinder finde er zu langweilig. Wenn Gott seiner Frau und ihm Kinder schenke, werde er seine ersten beiden Söhne Haroun und Karim nennen, wie seine Brüder. Wieder folgt ein langes Schweigen. Wie ein dunkler Schatten legt sich die Erinnerung an seine toten Brüder auf Zaids Gesicht.

Nach einer Weile fährt er fort, seine Frau solle gut erzogen und natürlich möglichst hübsch sein. Ob sie ein Kopftuch, den Hijab, trage, entscheide sie allein. Aber er sehe das schon recht gerne. Das sei Teil ihrer Religion. Sein Glaube sei für ihn sehr wichtig. Die Jungfrau Maria – er sagt „Maryam“ – trage auf den Bildern, die er kenne, auch immer einen Schleier. Aber darüber werde es mit ihm nie Streit geben. Die schwarze Abaja, den Ganzkörperschleier, müsse seine Frau sowieso nicht tragen.

Er könne sich auch gut vorstellen, eine Schiitin oder Kurdin zu heiraten, antwortet er auf meine entsprechende Frage. „Auch eine Ausländerin?“, bohre ich nach. Selbstverständlich, wenn er sie liebe und sie ihn auch, warum nicht? „Ihr Westler habt manchmal komische Fragen“, antwortet er fast ein wenig beleidigt.

„Wir haben die gleichen Träume wie ihr. Ich hätte gerne eine große Familie, ein großes japanisches Auto – eure deutschen Autos sind mir zu teuer – und irgendwann, wenn ich hart arbeite und Erfolg habe, auch ein kleines Haus. Ich glaube, man kann alles erreichen, wenn man hart arbeitet.“

Aber die Verwirklichung all dieser Träume liegt für Zaid in weiter Ferne. Er weiß das nur zu gut. Im Irak ist Krieg, seine Brüder sind tot, und er ist Widerstandskämpfer. Er weiß, dass jeder Tag sein letzter sein kann, auch wenn in der Innenstadt von Ramadi gerade einmal Feuerpause ist. Schon morgen kann man ihn bitten, an einem Einsatz im Umfeld von Ramadi teilzunehmen.

Was sich für ihn mit dem Namen USA verbinde, frage ich ihn. In seiner Kindheit habe er die USA trotz der harten und bitteren Sanktionen wegen ihrer Fortschrittlichkeit und Tüchtigkeit bewundert. Der Krieg habe sein Bild völlig verändert. Das gelte für die gesamte muslimische Welt.

„Wir haben ihnen nie etwas getan, und trotzdem haben sie unser Land und unser Leben zerstört.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass er den Amerikanern jemals den Tod seiner Brüder verzeihen könne. Er werde die Stunden, in denen sein kleiner Bruder hilflos vor seinen Augen verblutet sei, niemals vergessen, niemals.

Dann stelle ich die Frage, die Zaid am meisten fürchtet – und ich eigentlich auch. Ich frage ihn, wann er sich zum ersten Mal an einem Anschlag gegen die amerikanischen Truppen beteiligt habe. „Vor vier Monaten, im April 2007“, antwortet er nach langem Zögern.

Zaid ist aufgestanden und verlässt den Raum. Abu Saeed und ich schauen uns schweigend an. Der kleine Ali kommt mit seinem zerknautschten Ball zu mir. Er will wieder mit mir spielen. Aber das kann ich jetzt wirklich nicht.

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Straßenszene in Teheran, Juni 2004. Der Westen aus der Sicht der muslimischen Welt.




Dr. Jürgen Todenhöfer (67) ist seit über zwanzig Jahren Manager eines europäischen Medienunternehmens. Zuvor war er 18 Jahre lang Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Sprecher der CDU/CSU für Entwicklungspolitik und Rüstungskontrolle.

Er schrieb zwei Bestseller über den Afghanistan- und den Irakkrieg. Mit seinem Honorar errichtete er ein Kinderheim in Afghanistan, ein Kinderkrankenhaus im Kongo ist zurzeit im Bau. Mit dem Autorenhonorar für „Warum tötest du, Zaid?“ wird er im Mittleren Osten ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt sowie ein Hilfsprojekt für irakische Flüchtlingskinder finanzieren.




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